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Gesund
02/14/2019

Kränkung: Wer sich selbst gut kennt, ist besser geschützt

Die Psychologin Bärbel Wardetzki erklärt was eine Kränkung ist und was man tun kann um sie zu verarbeiten.

von Dorothe Rainer

Sie  macht Schluss, weil ihr ein anderer besser gefällt. Die Lehrerin maßregelt den Schüler, indem sie ihm Intelligenz abspricht. Die beste Freundin verschiebt in letzter Minute ein Treffen, weil sie es einfach vergessen hat. Diese drei  Situationen haben eines gemeinsam:

Sie können der Auslöser für eine Kränkung sein.  Zurückweisung, Abwertung oder Oberflächlichkeit ziehen Enttäuschung, Wut und Trauer nach sich und wenn dadurch auch das Selbstwertgefühl in Mitleidenschaft gezogen wird, dann spricht man von einer Kränkung. Den Unterschied erklärt Psychologin  Bärbel Wardetzki: „Wenn ich spüre, dass ich traurig oder verärgert bin, sind das der Situation angemessene Gefühle. In der Kränkung  ziehen wir uns zurück und wir sind nicht fähig, unseren Gefühlen angemessen Ausdruck zu verleihen.“

Gefährliche Ohrfeigen

Und genau das macht diese seelischen Ohrfeigen so gefährlich. Denn unaufgearbeitet können sie jahrelang in uns schlummern oder toben, sie nagen an  unserem Seelenheil, manches Mal so sehr, dass man physisch oder psychisch krank wird.

Die Expertin spricht in diesem Zusammenhang von Kränkungsleichen, die viel viel Energie verbrauchen, weil man immer wieder an den Vorfall denkt und nicht damit abschließen kann. Kommunikation ist das Um und Auf um Kränkungen zu verarbeiten. Bei Freunden oder Angehörigen kann das gut funktionieren, im Berufsleben fällt es oft schon schwerer über verletzte Gefühle zu reden.

Besteht nicht die Möglichkeit eines klärenden Gesprächs, muss man seinen eigenen Weg finden, mit der Kränkung fertig zu werden, etwa indem man mit Freunden oder Angehörigen redet und sie um Rat fragt. Wenn das alles keine Erleichterung bringt, hilft oft eine Therapie. Hier kann man im geschützen Rahmen über die Belastungen sprechen und sie verarbeiten, denn nur so kann Versöhnung und Seelenfrieden entstehen.

Verletzlichkeit

Es ist menschlich, dass man emotional verletzt wird und dass man selbst verletzt. Das passiert bewusst oder unbewusst. „Ich glaube aber, dass man grundsätzlich einen anderen Menschen gar nicht kränken kann, allerdings kann man ihn schlecht behandeln“, so Wardetzki. Denn wie man die Beleidigung oder den verbalen Übergriff wahrnimmt, hat mehr mit einem selbst als mit dem Auslöser zu tun, denn ich muss ja nicht zulassen, dass mich ein blöder Spruch im Innersten trifft, ich kann ihn auch "nur" als Frechheit empfinden und rasch vergessen.

Deshalb ist der Königsweg mit seelischen Verletzungen umzugehen, ist ein stabiles  Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen. Das kann aber nur entstehen, wenn man sich selbst gut kennt und über die eigenen Stärken und SchwachstellenBescheid weiß, denn Kränkungen setzen zielgenau an den wunden Punkten an.

Narzisstische Kränkung

"Wenn ich mich selbst nicht gut genug empfinde, dann kann schon eine hochgezogene Augenbraue vom Chef genügen, dass ich mich völlig unfähig und wertlos fühle“, so Wardetzki. Ob ein bestimmtes Verhalten verletzt oder nicht, hängt zum einen von der jeweiligen Situation, aber auch von den eigenen Lebenserfahrungen ab.

So ist ein Mensch, der als Kind oft gekränkt und bloßgestellt wurde, als Erwachsener viel verletzlicher. Auch die Gene beeinflussen, wie verwundbar jemand in seinem Selbstwert ist. Und letztlich ist es oft auch die Tagesform die darüber entscheidet, wie dünnhäutig oder robust jemand ist. Wer viel Stress hat, ist in der Regel vulnerabler, als jemand, der gerade erholt aus dem Urlaub kommt.

Eine  Sonderform nimmt die  Kränkung  bei selbstverliebten Menschen ein. Einen Narzissten zeichnet ein übersteigertes Ich-Bewusstsein aus und er ist von seiner enormen Wichtigkeit überzeugt. Wird er nicht permanent darin bestätigt, führt das zu negativen Gefühlen, die mit starker Wut  einhergehen können. Man spricht in diesem Zusammenhang von einer narzisstischen Kränkung.

Zeit geben

Das Wichtigste beim Überwinden einer Kränkung ist, sich zunächst einmal Zeit zu geben, um das Erlebte sacken zu lassen. Zurücklehnen und dreimal ruhig durchatmen, ist eine genauso einfache wie effektive Methode runterzukommen, wie die Psychologin weiß: „In der Kränkungssituation hält man automatisch den Atem an. Mit dem bewussten Durchatmen beschäftigt man sich mit sich selbst, gewinnt Abstand.“ 

Auch eine Nacht oder auch ein paar Nächte darüber zu schlafen, kann helfen eine andere Perspektive zu den Geschehnissen zu entwickeln. Denn eine Kränkung kann einen sogenannten „Tunnelblick“ auslösen - man sieht nur sich selbst als Opfer und ist nicht mehr in der Lage, die reale Situation zu bewerten. 

Das Verarbeiten einer Kränkung kann auch deshalb schmerzvoll sein, weil man sich mit seinen eigenen Schwachpunkten auseinandersetzen muss und vielleicht erkennt, dass man mehr aus eigener gekränkter Eitelkeit verletzt war und nicht, weil der andere ungerecht oder unfair war.    
Für die Psychohygiene ist es immer besser, die Kränkung  aufzuarbeiten, das ist immer ein persönlicher Prozess und auch eine Chance. Denn durch jede bewältigte Kränkung lernen wir uns und unsere wunden Punkte besser kennen und einen besseren Umgang damit:

„Wir können besser Verantwortung für uns übernehmen und müssen die Schuld nicht immer bei dem anderen suchen“, so Wardetzki. Diese Erkenntnis kann auch in Beziehungen wahre Wunder wirken.

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