Weiblicher Narzissmus
Narzissmus ist ein schillernder Begriff, der zu einem Modewort geworden ist, das fast jeder im Munde führt. Es wird sowohl als Schimpfwort benutzt als auch als Krankheitsbezeichnung, oder mit Stolz als Aushängeschild vor sich hergetragen. Narzissmus bezieht sich ganz allgemein auf die Selbstliebe, die bei narzisstisch geprägten Menschen beeinträchtigt ist. Sie haben ein verletztes Selbstwertgefühl, das durch die narzisstischen Manöver vor dem Zerfall bewahrt werden soll. Die Suche und die Sucht nach Erfolg, Geld, Anerkennung, Bestätigung, dem Drang, besonders und mächtig zu sein, sind Vehikel für das verletzte Selbst, ebenso wie Selbsterhöhung und die Entwertung des anderen. Die narzisstische Fassade ist der Versuch, die unangenehme Wirklichkeit auszublenden und die ungeliebten, mangelhaften Seiten seiner selbst zu überspielen. Es ist eine einfallsreiche Form, um mit Selbstwertproblemen umzugehen, die gut in die heutige Zeit passt, weil sie mit Erfolg und dem Gefühl, es geschafft zu haben, assoziiert wird. Eine narzisstisch geprägte Gesellschaft wie unsere, in der die Möglichkeiten der Selbstbespiegelung und der narzisstischen Darstellungsformen so groß sind wie nie, fördert die starke Entwicklung der in jedem Menschen schlummernden narzisstischen Anteile. Verstärkt wird dies noch dadurch, dass ein narzisstisches Verhalten in unserer Gesellschaft oft durch die Verbesserung der beruflichen und sozialen Position belohnt wird, weil es vordergründig der Gesellschaft sogar nützt. Narzissmus ist also primär keine Krankheit, sondern eine oft sogar kreative Anpassung an gesellschaftliche Gegebenheiten und/ oder an bestimmte Lebensumstände, die durch Selbstwertverletzungen und Kränkungserlebnisse die Integrität und Selbstachtung einer Person gestört haben.
Paperback | Kösel Verlag | EUR 20,00 | ISBN 978-3466347637
Auch als E-Book und auf Audible erhältlich